Röm.-kath. Pfarrei Hl. Mutter Teresa Chemnitz
Gemeinde St. Antonius
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Kreuz
     +++ Bildern zum letzten Familiengottesdienst finden sie unter Aktuelles +++ Einladung zu den Meisterwerken von Max Bochmann am 14.Mai in St. Antonius +++
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Dr. Georg Nawroth (*1911 + 1988)
 
kunst-nawro-portraitEin Kurienkardinal ging zu Papst Johannes XXIII. und fragte, warum ein Konzil nötig sei. Der Papst öffnete das Fenster und antwortete: „Um frischen Wind hereinzulassen!" Dieser frische Wind veränderte die katholischen Kirchen nicht nur liturgisch, nein auch baulich. Kommunionbänke hatten ausgedient und auch der Altar rückte näher zum (Kirchen)-Volk. Die nachkonziliaren Veränderungen bewegten sicher auch Pfarrer Krieglsteiner zu einer Umgestaltung der St.-Antonius-Kirche in den Jahren 1975/1976. Der alte Kreuzweg (dunkel gerahmte Vierfarbdrucke) passte stilistisch gar nicht mehr in die umgestaltete Kirche, in dessen Altarraum der Greizer Bildhauerin Elly-Viola Nahmmacher ein wahres Meisterwerk zwischen Tradition (den Bochmannschen Figuren aus der Anfangszeit unserer Kirche) und der Moderne ihrer Installationen gelungen war. Ein neuer, in die Zeit und in den veränderten (Kirchen)-Raum passender Kreuzweg wurde in Auftrag gegeben.

Wie schon 1967 wandte man sich wieder an den Görlitzer Künstler Dr. phil. Georg Nawroth. Unter den Künstlern, die ihre künstlerische Heimat im sakralen Bereich fanden, war Nawroth kein Unbekannter. Sein Lebenswerk ist in ca. 120 Kirchen oder kirchlichen Räumen von Rerik (Mecklenburg) bis Klingenthal i. V. (Sachsen) zu bestaunen. Außerdem finden sich in Brandenburg, Thüringen, dem Berlinkunst-nawro-kulturtagunger Raum und in Düsseldorf Werke des Künstlers. Stellvertretend genannt werden für das umfangreiche Gesamtwerk sollen dabei die Altäre und der Kreuzweg in Rosenthal, das Apsis-Fresko „Der Auferstandene" in Plauen, die Gesamtgestaltung der Caritas-Kapelle in Bad Saarow, die Gesamtgestaltung der St.-Antonius-Kirche in Berlin-Oberschöneweide, eine Marienfigur in Bronze, die 1960 für das Ordinariat Berlin gefertigt wurde und immer wieder Arbeiten für Kirchen in seinem Geburts- und Wohnort Görlitz. Am 11. April 1911 dort geboren, zog es Nawroth nach Hochschulstudien in Köln und Düsseldorf nach Florenz. Bei Freskomaler Baccio Maria Bacci (Professor der Kunstakademie Florenz) folgten Studien verbunden mit einer Reise durch Italien. Nach dem Krieg (dort diente er als Sanitätsunteroffizier und wurde verwundet) konnte er in Jena Kunstgeschichte studieren und 1947 dort promovieren. Ein weiteres Studium führte ihn nach Berlin. In Görlitz arbeitete Nawroth 1948 bis 1956 als Kunsterzieher bis er sich dort als freischaffender

Maler, Grafiker und Plastiker niederließ. Er gehörte dem Verband bildender Künstler an und nach seiner Umsiedlung in die BRD (1977) dem Künstlerkreis Vorgebirge und Trier. Dort entstanden Zeichnungen, Aquarelle, Landschaftsbilder und Stillleben. Ausstellungen fanden in Köln und Ulm statt, dem Ort, wo er am 25. Mai 1988 starb.

Diese kurzen Daten aus Leben und Werk zeigen die enorme Vielseitigkeit des Nawroths: Tafelbilder in Öl, Fresken, Mosaiken, Beton- und Antikglasfenster, Plastiken in Holz, Keramik Bronze, Gips, aber auch ein umfangreiches grafisches Werk (Radierungen, Linol- und Holzschnitte, Kreidezeichnungen sowie Buchillustrationen (Benno-Verlag) entstanden unter den Händen des Sakralkünstlers.

kunst-nawro-kreuzweg00.jpgFür unsere Kirche schuf Nawroth Kreuzwegtafeln sowie eine Antoniusfigur aus Holz. Doch zunächst zum Kreuzweg. Dieser besteht aus 15 Tafeln, den 14 Stationen mit Leidensweg, Kreuzigung, Grablegung und der 15. Station, der Auferstehung. Nicht die leidvollen Umstände bestimmen die Tafeln sondern der Leidende selbst. So ist auf Station 1 Pontius Pilatus (der, der Jesus verurteilte) eine Randfigur im Bild, die zwar verurteilend auf Jesus weist und seine Kompetenzen als Herrscher ausspielt aber nicht Herr in dieser Situation ist. Der Herr dieses Weges ist der, der diesen Weg zulässt und begleitet: Gott.

Auf drei Stilmittel möchte ich im folgenden kurz eingehen, natürlich in der Gewissheit, dass - und das ist ja das Schöne an Kunst - jeder Betrachter seine ganz persönliche Auslegung findet.

 

Das Licht

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Die von oben hereinfallenden goldgelben Strahlen stellen (jedenfalls interpretiere ich es so) diesen dunklen, leidvollen Weg zunächst in ein anderes, ein göttliches Licht (Station 1). Dennoch wird es der Verzweiflung dieser Situation weichen (müssen) und während des Weges nur sehr sparsam eingesetzt, etwa in Station 4 (Jesus begegnet seiner Mutter) in Station 9 (Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz). Wiederfinden werden wir dieses Stilelement des Göttlichen erst in Station 15 (der Auferstehung). Dort treffen nicht nur zwei Strahlen auf die verzweifelte Situation sondern das Licht der Auferstehung wird die Dunkelheit überstrahlen. Tafel 15 ruft in mein Gedanken den Satz: „Durch das Kreuz zum Licht" hervor. Die Tafel ist stilistisch geteilt in Licht des Göttlichen und dem Dunkel dieser Welt. Jesus blickt nicht aus dem Licht herunter sondern ist immer noch Teil des Irdischen und unseres Lebens (bis heute). Sonst wäre Jesus ja ein ferner „Schön-Wetter-Gott". Ein Element auf der Tafel hat beide Ebenen miteinander verbunden: das Kreuz.

 

Das Kreuz

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 Wie schon erwähnt, zielt dieser Weg nicht auf eine fotorealistische Darstellung der Szenen ab, sondern versucht das sichtbar zu machen, was man eigentlich nicht sehen kann, die Gedanken des Verurteilten. Auf Station 1 (Verurteilung) sind die Enden der beiden Kreuzesbalken nur angedeutet. Vielleicht sieht Jesus noch Hoffnung, dem Urteil zu entgehen: „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir" (Markus 14,36). Nach der Verurteilung muss Jesus seinen Hinrichtungsgegenstand selber auf den Berg Golgatha schleppen. Nawroth deutet es in Station 2 an, wie Jesus diese Holzbalken nimmt, die Hände greifen danach. Doch bedeutender wird das Kreuz in Jesus Gedanken dargestellt: die Balken verlängern sich. Jesus Gesichtsausdruck verändert sich. Das Kreuz begleitet ihn (auch in seinen Gedanken). Manchmal spaltet sich der Balken, so als könne er auf dem Weg das Kreuz mit den Menschen teilen, die ihm dort begegnen, doch in den unerträglichsten Situationen, dort, wo Jesus das Schreckliche ganz alleine ertragen muss (Station 11 - Kreuzigung und Station 12 - Tod am Kreuz) drängen sich die Balken schwer ins Blickfeld des Betrachters. Interessant dabei ist, dass auf Tafel 13 (Abnahme vom Kreuz) die Balken völlig fehlen. Jesus ist tot, sein inneres Leiden, ist genauso beendet, wie das äußere. Den ins Grab gelegten Christus (Station 14 – Bild auf Seite 3) begleitet eine goldgelbe Aura, die Farbe der Auferstehung, des Göttlichen. Der Schein um Jesu Kopf erinnert (mich) an Christus-Darstellungen in der Ikonenmalerei. Wie ein grafisch elegantes Schmuckelement mutet das Kreuz auf Tafel 15 (Auferstehung) an. Aus dem einen Balken sind wieder zwei geworden, so als wolle der Auferstandene sagen: „Ich bin bei dir und helfe, alle schweren Situationen in deinem Leben mit zu tragen, so wie ich auch auf meinem schweren Wag nach Golgatha nicht ganz alleine gewesen bin."

 

Die Menschen

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Pontius Pilatus (auf Tafel 1) bleibt eine Randerscheinung. Doch da gibt es noch andere Menschen, die Jesus auf seinem Weg begleiten und für ihn wichtig werden. Nawroth rückt diese Leute in die Mitte. Wir treffen Jesu Mutter (Station 4), die natürlich voll mütterlicher Sorge das Leid ihres Sohnes kaum ertragen kann Verzweifelt, und doch akzeptierend berührt sie liebevoll sie ihren toten Sohn und Blickt zu Gott (Station 13). Dargestellt in der Körperhaltung ihres Sohnes von Station 13, legt sie ihn ins Grab (Station 14). Denn auch wenn Maria noch lebt, fühlt sie sich wie tot, weil man ihr das Liebste genommen hat. Ihre Gedanken (so glaube ich in dem Bild zu erkennen) sind von den Erlebnissen der Folter und des Todes geprägt, das vergossene Blut ihres Sohnes, die Wunden, die Schmerzen, all das ist in ihrer Seele traurig präsent und von Nawroth als roter Hintergrund dargestellt. Doch nicht nur die Mutter leidet. Simon von Cyrene, den die Soldaten aus der Menschenmenge herausgezogen und befohlen haben, beim Kreuz tragen zu helfen blickt traurig auf den Verurteilten (Station 5). Während Jesus mutlos und geschafft von den Strapazen da liegt, deutet Simons Handbewegung ein „Ich begleite dich!" an. Jesus muss das Kreuz nun nicht mehr alleine tragen. Frauen: erst Veronika (auf Tafel 6) später die weinenden Frauen von Jerusalem (Station 8) begegnen Jesus. Sie sehen nur Hoffnungslosigkeit. Die beiden Strahlen im Hintergrund (am Schluss des Kreuzweges werden sie gold-gelb die Auferstehung beschreiben) fügen sich in die Hoffnungslosigkeit der Situation mit ein - auch der Himmel (Gott) weint über die Brutalität einiger Menschen. Nur ganz schwach kann das Gold-Gelb besseres erahnen lassen. Jesus Hände und sein besorgter Blick zeigen einen Dialog mit den Frauen. „Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich ..." (Lukas 23,28). Mittelpunkt auf Tafel 10 ist nicht der Mensch (ein Soldat) sondern ein Würfel. Hier fand die Demütigung, die Jesus über sich ergehen lassen musste einen neuen Höhepunkt: Soldaten würfelten um seinen Nachlass (seine Kleider) obwohl Jesus noch lebte. Nawroth stellt auf dieser Tafel die Situation in den Vordergrund, der Jesus ausgeliefert ist.

kunst-nawro-kreuzweg-beginnende.jpgAls Ausgangsort des Kreuzweges in unserer Kirche wurde bewusst Bochmanns Gipsfigur Maria mit dem Jesus-Kind ausgewählt. Jesus Leben beginnt. Das Evangelien-Buch auf dem von Nahmmacher gestalteten Ambo verkündet über Jesus Leben und Wirken. Dann beginnt der Kreuzweg. Er ist großzügig verteilt im Kirchenraum, so dass man ihn wirklich gehen kann. Die Tafel der Auferstehung wurde in den Altarraum gehängt und hebt sich von den 14 Stationen ab. Der Tabernakel in unmittelbarer Nachbarschaft von Tafel 15 macht deutlich: hier ist Jesus wahrhaft auferstanden. Man kann durch diese eben beschriebene Anordnung Jesus Weg von Geburt über Leben und Wirken, das Leid, den Tod bis zur Auferstehung in unserer Kirche anhand von Stationen nicht nur gedanklich nachgehen.

 

Die Antonius-Figur

kunst-nawro-antonius-fig.jpgDer in die Kirche Hereinkommende wird von Antonius, unserem Namenspatron in Empfang genommen. Auch diese Figur ist von Georg Nawroth gefertigt. Antonius gibt es in vielen Darstellungen. Oft sieht man ihn mit einem Buch in der Hand. Denn der Hl. Antonius von Padua (*1195 in Lissabon +1231 bei Padua) wurde von der Kirche zum „Doctor evangelicus" (Kirchenlehrer) erhoben. Nawroth bediente sich einer anderen Darstellung des Kirchenlehrers: Antonius mit Jesuskind. Kurz vor seinem Tod besuchte Antonius den Grafen Tiso auf dem Schloss Camposampiero. Als der Graf nach seinem Gast schauen wollte, sah er, wie Antonius ein Kind in seinen Armen hielt, das vor Heiligkeit ganz erleuchtet war: Jesus Christus.

Wieder sieht man den Kranz, den Heiligenschein um Jesus Kopf. Ganz leicht arbeitete Nawroth flache Kerben ein (wir kennen sie aus dem Kreuzweg) - doch es können hier auch Strahlen sein. Antonius von Padua hält das Jesuskind vor seiner Brust, Jesus breitet seine Hände zum Segen aus. Eine, wie ich finde, gute Illustration zur Stellung der/des Heiligen in der Kirche. Er ist Mittler zwischen Gott (Jesus) und Mensch, nicht mehr aber auch nicht weniger. Jesus segnet, Jesus steht im Vordergrund - und der Heilige stellt ihn in den Vordergrund, indem er die Blicke der Gläubigen auf ihn lenkt. In Zeiten der manchmal persönlich gefühlten Gottesferne kann der Weg zu Gott einfacher sein, wenn man sich Leben und Werk eines Heiligen betrachtet, der dann den Blick bereichern und neu ausrichten kann.

Nawroth stellt Christus in das Zentrum: seine segnenden Hände ebenso, wie sein äußeres und vor allem inneres Leid im Kreuzweg. Der Betrachter ist kein Zuschauer mehr, sondern ein „Mit-leidender" aber auch ein „Mit-auferstehender", jeden Sonntag, wenn er die Heilige Messe besucht.

 

Mein herzlicher Dank gilt Herrn Gerd E. Nawroth. Er ist der Sohn von Georg Nawroth und arbeitet als freiberuflicher Grafik-Designer in Leipzig. Gerd E. Nawroth stellte mir eine sehr ausführliche Biografie und auch Bilder seines Vaters zur Verfügung.

 
Text: Henning Leisterer
Fotos der beschrieben Kunstwerke: Henning Leisterer
Foto von Nawroth: aus dem Privatbesitz des Grafikers Gerd E. Nawroth
(Mit freundlicher Genehmigung!)
Gruppenfoto Nehmer/Götting/Nawroth: Bundesarchiv, Bild 183-L0218-0311 / Fotograf: Krueger / Lizenz CC-BY-SA 3.0 (Mit freundlicher Genehmigung!)
Verwendete Literatur: "Das große Buch der Heiligen" (Cormoran Südwest Verlag GmbH u. Co. KG München - 1996)
Chemnitz, den 05. Februar 2010